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Wissenschaft kompakt


Düsen und Leitplanken



Wind kann durch unterschiedlichste topographische Gegebenheiten
beeinflusst werden. Heute erklären wir, wie Düsen und Leitplanken den
Wind erheblich verstärken können.



Wind ist draußen im Freien allgegenwärtig, mal als angenehmes
kühlendes Lüftchen an einem heißen Sommertag, mal als steife Brise am
Strand oder als zerstörerischer Sturm. Gestern und am heutigen
Dienstag war bzw. ist vor allem der Norden und die Mitte Deutschlands
vom ersten kleinen "Herbststürmchen" des Jahres betroffen. Ursächlich
sind Druckunterschiede, die durch Massetransport mit dem Wind
ausgeglichen werden. Steuernde Hoch- und Tiefdruckgebiete, aktuell
Hoch OLDENBURGIA und Tief ZACK, sind für die großräumigen
Strömungsverhältnisse verantwortlich. Sie entscheiden also, aus
welcher Richtung und mit welcher Stärke der Wind weht. Lokale
Gegebenheiten wie Berge, Täler oder Meerengen können den
Umgebungswind aber verändern und mitunter erheblich verstärken. Heute
erklären wir, wie die Topografie als Düse oder als Leitplanke wirken
kann.


Betrachten wir zunächst den "Düseneffekt", auch
"Kanalisierungseffekt" genannt. Um die Hintergründe des Düseneffekts
verstehen zu können, machen wir einen kleinen Ausflug in die
Strömungsphysik. Die Erklärung ist nämlich im sogenannten "Gesetz von
Venturi" oder im "Venturi-Effekt" zu finden, benannt nach dem
italienischen Physiker Giovanni Battista Venturi (1746-1822). Der
Venturi-Effekt bestreibt die Strömungseigenschaften eines
(inkompressiblen) Fluids, z.B. Wasser, durch eine Rohrleitung. Strömt
ein Fluid durchs Rohr und erreicht eine Engstelle, erhöht sich der
Staudruck des Fluids und die Fließgeschwindigkeit nimmt zu. Genauer
gesagt erhöht sich die Geschwindigkeit im umgekehrten Verhältnis zur
Querschnittsfläche der Rohrleitung. Was recht abstrakt klingt, ist
eigentlich ganz logisch: Wenn in einer gewissen Zeit die gleiche
Wassermenge zuerst durch ein dickes und danach durch ein dünneres
Rohr fließt, muss in letzterem das Wasser entsprechend schneller
durchfließen. Diesen Effekt macht sich jeder beim Gießen oder
Reinigen mit dem Gartenschlauch zunutze. Ohne Aufsatz würde das
Wasser nur mit einem geringen Druck aus dem Schlauch laufen. Mit
Aufsatz schießt das Wasser hingegen umso schneller und weiter aus dem
Schlauch, je enger man die Öffnung zudreht. Bei einer
Wasserspritzpistole für Kinder passiert das gleiche.


Und was hat das mit dem Wind im Tal zu tun? Weht der Wind ungefähr in
Richtung des Tals und erreicht den Taleingang, wirken die Berge zu
beiden Seiten des Tals als seitliche Begrenzung. So kommt es zur
Kanalisierung der Strömung, wodurch die Windgeschwindigkeit in der
Talmitte gegenüber der Ebene abseits des Tals deutlich zunehmen kann.
Ähnliches passiert auch an Meerengen, weshalb diese in der
Seeschifffahrt oft gefürchtet sind. Diese Windverstärkung bezeichnet
man als "Kanalisierunseffekt" oder "Düseneffekt". Durch eine
Inversion (Temperaturzunahme mit der Höhe) kann der Wind zusätzlich
verstärkt werden. Sie wirkt wie ein Deckel, durch den die Luft nicht
nach oben entweichen kann. Im Kleinen tritt der Düseneffekt auch in
engen Straßenschluchten auf und kann einem Passanten schon einmal
überraschend den Hut vom Kopf wehen.

Prädestiniert für den Düsen- oder Kanalisierungseffekt ist bei
Nordostwind das Schweizer Mittelland. Eingeengt zwischen dem Jura auf
der rechten und den Alpen auf der linken Seite führt die sogenannte
"Bise" zu einer erheblichen Windverstärkung im Schweizer Mittelland
bis hin zur Sturm- oder gar Orkanstärke. Auch der "Mistral" im
französischen Rhônetal ist ein bekanntes Beispiel. Pfeift durchs
Rhônetal ein stürmischer Nordwind, weht nicht selten wenige Kilometer
abseits des Tals nur noch ein laues Lüftchen. Auch beim "Föhn" oder
anderen Fallwinden wie der "Bora" in Kroatien oder dem "Böhmischen
Wind" können Engstellen in Tälern eine erhebliche Windverstärkung
herbeiführen.


Der "Leitplankeneffekt" (oder "Führungseffekt") ist eine Art
einseitiger Düseneffekt. Trifft der Wind schräg auf ein
topographisches Hindernis, z.B. eine Bergkette, erhöht sich nahe dem
Hindernis ebenfalls der Staudruck. Folglich wird der Wind parallel
zum Hindernis abgelenkt und verstärkt. Dabei ist der
Leitplankeneffekt umso stärker, je spitzer der Winkel der Strömung
zur Bergkette ist und je höher diese ist, was ein Überströmen der
Berge erschwert. Verstärkt werden kann dieser Effekt zusätzlich durch
eine Kaltfront, zwischen welche die Strömung eingekeilt wird. Der
Leitplankeneffekt wird so wieder zu einer Art beidseitigem
Düseneffekt mit der Bergkette auf der einen und der Front auf der
anderen Seite. Bekannte Regionen in Deutschland sind das Alpenvorland
mit den Alpen als Hindernis oder das Erzgebirgsvorland. Bei
westlichen oder nordwestlichen Winden werden nicht selten in Chemnitz
oder Dresden höhere Geschwindigkeiten gemessen als weiter nördlich.


Auch beim heutigen Windfeld treten die beschriebenen Effekte in
abgeschwächter Form auf. Während durch den Leitplankeneffekt am
Nordrand des Erzgebirges der Wind in Böen 7 bis 8 Beaufort erreicht
(ca. 55 bis 70 km/h) erreicht, weht er weiter nördlich nur mit Stärke
6 (um 45 km/h). Auch in parallel zum Wind ausgerichteten
Straßenschluchten kann der Düseneffekt heute gut beobachtet werden.


Dr. Markus Übel

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.09.2025

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